Die altersmässige Durchmischung bringt`s

 

Die Schweiz wird immer älter. Laut der Studie «Bevölkerungswandel Schweiz» von Prof. Dr. François Höpflinger nimmt der Altersquotient – also die Anzahl über 65-Jährige pro 100 Personen im Alter von 20 bis 64 – laufend zu. Es gibt sogar Experten, die von einer Überalterung sprechen. Doch was heisst Überalterung überhaupt? Eine Definition ist: In der Bevölkerungsstatistik ist Überalterung die Bezeichnung für einen Prozess der Erhöhung des Durchschnittsalters einer Bevölkerung. Sie ist bedingt durch eine Erhöhung der Lebenserwartung bei gleichzeitigem Geburtenrückgang. Nach dieser Definition trifft für die Schweiz, mit Ausnahme der Westschweiz und der Region Zürich, die Überalterung zu. Eine alternde Bevölkerung wird nicht selten auch mit Bedenken vor unvorteilhaften wirtschaftlichen Folgen in Verbindung gebracht. Während die geographische Verteilung nach Altersgruppen, gemäss Prof. Dr. François Höpflinger, als Momentaufnahme betrachtet werden muss, sieht der Soziologe die alternde Bevölkerung als positiven Prozess – auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Zweifelsohne ist eine gute Durchmischung nach Alter aber vorteilhaft. Daher empfiehlt sich, bei der Entwicklung von Gemeinden, auch den Generationenwechsel mitzuberücksichtigen.

Die Überalterung verschiebt sich geographisch
Zählte früher die Westschweiz eine verhältnismässig alte Bevölkerung, sind heutzutage in der Romandie viele Kinder zuhause. Ebenso ist der Altersdurchschnitt in den Agglomerationsgemeinden tendenziell gestiegen, während in den Städten eine Verjüngung der Bevölkerung stattgefunden hat. Diese Beispiele zeigen, dass sich die altersmässige Bevölkerungsstruktur nicht gleichmässig entwickelt, obschon sich die Geburtenrate schweizweit ähnelt. Ein Grund dafür ist der Generationenwechsel, wenn etwa jüngere Familien in zuvor überalterte Gebiete gezogen sind. Andererseits ist der Anteil an über 64-Jährigen in Gemeinden, die während der Landflucht in den 1980er und 1990er Jahren für manche Familien als bevorzugter Wohnort galten, gestiegen. Die Jüngeren zieht es wieder in die Stadt. So steigen in Zürich die Schülerzahlen kontinuierlich – im Wesentlichen im Umfeld von Genossenschaftssiedlungen. «Die Altersstruktur spiegelt die Siedlungsstruktur wider», so François Höpflinger.   

Ältere Menschen bilden die Existenzgrundlage für jüngere
Trotz regional unterschiedlicher Entwicklung wächst hierzulande das Durchschnittsalter. Dies führt seit Jahrzehnten immer wieder zu Bedenken – etwa in Sachen Finanzierung der Altersvorsorge. François Höpflinger äussert zur Überalterung eine differenzierte Sichtweise: «Eigentlich ist das ein positiver Prozess, denn er bedeutet, dass die Leute länger und in guter Gesundheit leben.» Dabei ist sich der Begründer des «Age Reports» der Umverteilungs- und Rentenfinanzierungsdiskussion sehr wohl bewusst: «Ja, die jetzige Rentnergeneration profitiert stärker vom Sozialstaat als nachkommende Generationen». Doch die längere Lebenserwartung ermöglicht schlussendlich die Existenz Jüngerer: «Die AHV ist ein wichtiger Stabilisator. Selbst Gesundheitskosten sind eigentlich Einnahmen. Sie sichern Stellen für jüngere Menschen – etwa in der Pflege», erklärt François Höpflinger.  

Kleinere Wohnungen für eine ältere Bevölkerung
Bestandteil der Diskussion um eine alternde Landesbevölkerung ist auch die Wohnsituation. «Die Schweiz ist wohl das einzige Land der Welt, in dem mehr ältere Menschen über eine zu grosse Wohnung klagen als über eine zu kleine», so François Höpflinger. Ältere Alleinstehende oder Ehepaare bewohnen sehr häufig ältere, günstigere Vier- oder Fünfzimmerwohnungen oder gar Einfamilienhäuser. Ein Umzug in eine kleinere Wohnung würde für sie paradoxerweise oftmals höhere Mieten bedeuten. Andererseits wird die Suche nach einer preiswerten, genügend grossen Wohnung für Familien zusehends zu einer Herausforderung. Umzugsmöglichkeiten in kleine, barrierefreie und somit altersgerechte Wohnungen in derselben Gemeinde sind daher wichtig. Auf diese Weise wird auch zu einer guten Durchmischung beigetragen. «Was man heute viel macht, sind generationendurchmischte Siedlungen mit Wohnungen für Familien, ältere Leute und Einzelpersonen», erläutert François Höpflinger dazu. «Und, wenn Gemeinden nach Bedarf anpassbare Strukturen, beispielsweise für einen Kindergartens oder für Alterswohnungen, einrichten, können sie auch besser auf demographische Veränderungen reagieren.»
 
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Christian Morgenstern
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